Publiziert 18. Apr. 2023, 06:00
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#WintiischLiebi

«Ohne Ehrenamtliche würde die Kultur nicht funktionieren»

Kulturpojekte und Dominic Schmid – das passt. Wir haben den (noch) Geschäftsleiter der Winterthurer Musikfestwochen im Rahmen der Serie #WintiischLiebi befragt.

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Ramona Kobe
Dominic Schmid ist in der Winterthurer Kultur zuhause. Als Geschäftsleiter der Musikfestwochen sorgt er jährlich für ein reibungsloses Festival in der Altstadt.

Dominic Schmid ist in der Winterthurer Kultur zuhause. Als Geschäftsleiter der Musikfestwochen sorgt er jährlich für ein reibungsloses Festival in der Altstadt.
Fotomontage: Ramona Kobe / Andri Kaufmann

«Winti isch Liebi», sagt Dominic Schmid und lacht. «Ich mag das kulturelle Leben, die Menschen dieser Stadt und mein tolles Umfeld.» Einen Grund, aus Winterthur wegzuziehen, gibt es für den 36-Jährigen ohnehin nicht. In Kleinandelfingen aufgewachsen, zog es ihn nach der Lehre in die Eulachstadt. Hier hat er nicht nur eine neue Heimat gefunden, sondern auch einen festen Platz in der hiesigen Kulturszene.

Dominic Schmid, wie wird man Geschäftsleiter der Winterthurer Musikfestwochen (MFW)?

Dominic Schmid:  Im Frühling 2019 war die Stelle öffentlich ausgeschrieben. Ich kannte die Musikfestwochen als freiwilliger Helfer. Doch schon davor war ich in der Kulturszene gut vernetzt, kannte meinen Vorgänger vom Salzhaus, wo ich fast zehn Jahre hinter der Bar arbeitete. Jetzt oder nie, sagte ich mir damals. Ich war 33 Jahre alt und hatte unglaublich Bock auf diese Verantwortung. Auch vier Jahre später reizt mich der Job nach wie vor sehr.

Was ist das Besondere daran?

Das ganze Team, das die MFW möglich macht. Dass es so viele Menschen gibt, die sich für die Musikfestwochen engagieren, die so viel Herzblut und Freiwilligenarbeit reinstecken und sich damit identifizieren, ist schon sehr speziell – aber auch ein Zeichen dafür, dass wir vieles richtig machen. Die Leute kommen gern, das Feedback ist mega positiv. Das gibt mir viel zurück.

Wie würdest Du Deinen Aufgabenbereich beschreiben?

Ich trage viele verschiedene Hüte. In der Vorbereitung erstelle ich das Budget, schreibe das Sicherheitskonzept und bin zuständig für das Fundraising, die Organisation der Mitgliederversammlung, die Personalorganisation und vieles mehr. Die Personal- und IT-Organisation liegt in meinen Händen und ich sorge dafür, dass unser OK ein Umfeld hat, in dem es arbeiten kann und dass es über die nötigen technischen Mittel verfügt. Je näher das Festival rückt, desto mehr kleinere Aufgaben kommen hinzu. Ich informiere die Anwohnenden und Gewerbetreibenden und hole ihre Bedürfnisse ab. Der wohl grösste Teil meiner Arbeit ist die ganze Buchhaltung. Den Hut der Geschäftsleitung gebe ich Ende Monat ab, sodass ich zukünftig wieder mehr unterrichten kann. Es ist mir wichtig, das Standbein als Sekundarschullehrer nicht zu verlieren.

Tönt, als hättest Du jeweils kaum Zeit, die Konzerte zu besuchen…

Mein erstes Jahr fiel Corona zum Opfer. Das war ein trauriger, frustrierender Sommer. Ich hatte mich sehr auf meine neue Aufgabe gefreut, die ich dann nicht ausführen konnte. Gleichzeitig war es auch ein entspannter Sommer. Das zweite Jahr war sehr stressig. Das Festival fand an verschiedenen Standorten statt; ich fuhr zwei-, dreimal täglich mit dem Velo hin und her und reagierte auf Unvorhergesehenes. Es kamen viele neue Auflagen hinzu, nur schon die Kontrolle der Covidzertifikate bedeutete einen Mehraufwand. Bis aufs letzte Wochenende schaute ich kein einziges Konzert. Letztes Jahr, zurück in der Altstadt, war es wesentlich entspannter. So nahm ich mir am letzten Abend gar die Zeit, um selbst am Bierausschrank zu stehen.

Was wäre Winterthurer ohne die Musikfestwochen?

Der Stadt würde ein wichtiger kultureller Grossanlass fehlen. Winterthur ist als Kulturstadt bekannt und bezeichnet sich auch gerne als solche. Deshalb braucht es Platz für kulturelle Veranstaltungen. Mit den MFW machen wir Musik und Kultur einer breiten Bevölkerung zugänglich – auch vielen Personen, die sich Konzerte finanziell nicht leisten können.

Du bist zusätzlich im Vorstand der Kulturlobby. Ist es für Dich eine Selbstverständlichkeit, ein ehrenamtliches Amt auszuüben?

Nein. Nichts, dass man freiwillig macht, ist selbstverständlich. Und trotzdem bin ich überzeugt, dass es Menschen braucht, die sich ehrenamtlich engagieren. Ohne sie würde die Kultur nicht funktionieren. In die Kulturlobby bin ich reingerutscht. Dass ich in irgendeinem Bereich freiwillig mithelfe, war für mich aber klar.

Auch in der Pfadi warst Du viele Jahre aktiv, bevor Du Dich für die Kultur entschieden hast. Für ein grosses Projekt konnte man Dich aber nochmals gewinnen…

Richtig. Ich bin im Vorstand vom «Pfadi Folk Fest» (PFF) 2025. Das ist ein Open Air, das ehrenamtliche Pfadfinderinnen und Pfadfinder für aktive Pfadi-Leitende organisieren. Es ist grundsätzlich ein öffentlicher Anlass, er wird aber in Pfadikreisen beworben. Wieso dieses in zwei Jahren in Winterthur stattfindet, hat einen speziellen Grund: Das allererste PFF der Schweiz ging 1975, also vor 50 Jahren, in Winterthur über die Bühne. Was viele nicht wissen: Das «Pfadi Folk Fest» und die Winterthurer Musikfestwochen haben gemeinsame Wurzeln.

Inwiefern?

Die MFW wurden von Markus Hodel gegründet, im OK des ersten PFF sass sein Bruder Walter Hodel. Damals dauerten die Musikfestwochen mehrere Wochen im Herbst, viele Konzerte gab es im «Africana» zu hören. Das «Pfadi Folk Fest» hingegen fand in den Gassen der Winterthurer Altstadt statt – unter anderem auf dem Königshof. Walter war so begeistert, dass er seinen Bruder überzeugen konnte, das Festival ebenfalls in die Altstadt zu verlegen.

Dominic Schmid.

Dominic Schmid.
Andrin Fetz

Dominic Schmid

«Die Musikfestwochen werden in der Altstadt akzeptiert – da sind sie Zuhause, da schlägt das MFW-Herz»

Dann findet das PFF 2025 auch wieder in der Altstadt statt?

Nein. Wir haben einen anderen Platz gefunden. Wir prüfen im Moment die nötigen Bewilligungen mit der Stadt. Ein zweites Musikfestival ist in der Altstadt innerhalb desselben Monats wäre nicht denkbar.

Warum nicht?

Die Musikfestwochen werden in der Altstadt akzeptiert – da sind sie Zuhause, da schlägt das MFW-Herz. Die Zeit, in der die Anwohnenden und Gewerbetreibenden durch das Festival, inkllusive Auf- und Abbau, eingeschränkt werden, ist eine sehr lange. Das darf man nicht ausser Acht lassen. Dem sind wir uns fest bewusst und sind bemüht, die Kontakte zu pflegen.

Wie bringst Du alles unter einen Hut?

Gute Frage. Viele Engagements habe ich reduziert. Ich weiss, dass auch ich nur beschränkt Ressourcen habe. Ich musste lernen, Nein zu sagen. Wenn ich etwas mache, dann richtig. Bin ich einfach nur noch dabei, gebe ich das Amt lieber weiter.

Obligatorische Abschlussfrage: Wo trifft man Dich in Winterthur häufig an?

Sicher auf der Steibi oder generell in der Stadt. Hier findet mein Leben statt. Und jetzt, wo es wieder wärmer wird, hoffentlich auch regelmässig auf dem Tennisplatz.