Publiziert 30. Nov. 2022, 06:30
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#WintiischLiebi

«Im Wirrwarr meiner Gedanken finde ich Inspiration»

Die Musik ist ihr Spielplatz. Wir haben Carole Brunner von «Ginger And The Alchemists» im Rahmen der Serie #WintiischLiebi mit Fragen durchlöchert – und intime Antworten erhalten.

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Ramona Kobe
Mit dem Debut-Album «better now» feierte Carole Brunner kürzliche ihre Plattentaufe im Albani.

Mit dem Debut-Album «better now» feierte Carole Brunner kürzliche ihre Plattentaufe im Albani.
Fotomontage: Andri Kaufmann Janutin / 84XO

Ihre Haarfarbe gab der Band den Namen: Carole Brunner (28) steht derzeit als Frontfrau und Liedermacherin von «Ginger And The Alchemists» schweizweit auf Konzertbühnen. Wunderschön melancholisch und offen, so wie sich der Himmel nach einem Sturm anfühlen muss, erzählt die Winterthurerin mit ihrer zerbrechlichen und doch so kraftvollen Stimme direkt aus ihrem Leben – eine Gabe, die ihr allerdings nicht in die Wiege gelegt wurde. Ein Gespräch über Lampenfieber, Heimatgedanken und der Wirrwarr in ihrem Kopf.

Carole Brunner, Sie sind in Uzwil aufgewachsen, Ihre Lehrstelle führte Sie mit 15 nach Winterthur. Rückblickend eine weise Entscheidung?

Carole Brunner: Definitiv. Winterthur gibt mir das Gefühl, zuhause zu sein.

Inwiefern half Ihnen der Umzug für Ihre Musik?

Es war einfach, mit anderen Musikschaffenden in Kontakt zu kommen. Winterthur ist ein kreativer Kuchen. Es ist eine Stadt, in der ich Anonymität bekomme, wenn ich sie brauche. Und gleichzeitig empfinde ich ein unheimlich grosses Gemeinschaftsgefühl: Man grüsst sich auf der Strasse und kommt zu tiefgründigen Gesprächen, die ich in meine Lieder einfliessen lasse.

Vor kurzem feierten Sie Ihre dritte Plattentaufe im Albani. Was bedeuten Ihnen Konzerte in der Heimatstadt?

Mega viel. Die Plattentaufe unseres Debut-Albums war ein Traum eines Konzerts. Alle, die schon mal im Albani waren, wissen: Ist der Club ausverkauft, ist es richtig voll, eng und laut. Das Publikum konnte ausbrechen und tanzen. Es gab aber auch mucksmäuschenstille Momente. Von genau dieser Dynamik lebt unsere Musik.

Bereits im Sommer konnten Sie an den Musikfestwochen vor einem Menschenmeer auftreten. Verspüren Sie hier in Winterthur mehr Druck als anderswo?

Ja. Der Druck war noch nie so gross wie vor den diesjährigen Musikfestwochen. Ich war froh, konnte ich diesen ablegen, als ich die Bühne betrat, um den Moment einfach nur geniessen zu können.

«Ginger And The Alchemists» spielte bereits dreimal an den Winterthurer Musikfestwochen, zuletzt diesen Sommer auf der Main Stage.

«Ginger And The Alchemists» spielte bereits dreimal an den Winterthurer Musikfestwochen, zuletzt diesen Sommer auf der Main Stage.
Andri Kaufmann Janutin

Bleiben wir beim Lampenfieber. Als Kind waren Sie sehr scheu, erst die Musik liess Sie aufblühen. Aus dem stillen Kämmerchen haben Sie sich aber lange nicht getraut…

Es war mir sogar unangenehm, Martin zu fragen, ob er mein Gitarrist sein möchte (lacht).

Gut, sind Sie über Ihren Schatten gesprungen.

Wem sagen Sie das! Erst die Zusammenarbeit mit ihm führte dazu, dass wir unsere Band gründeten. Dann ging es Schlag auf Schlag. Doch selbst als uns die ersten Booking-Anfragen erreichten, war ich nicht ready, live zu performen.

Wie konnten Sie diese Hemmungen überwinden?

Tatsächlich durch meine Band. Der mentale Support hat mich dazu befähigt. Auch Corona half, weil ich während der Pandemie aus finanziellen Gründen oft solo spielte. In dieser Zeit habe ich gelernt, mich nackt vor die Leute hinzustellen und zu singen. Ich habe zwar immer noch Lampenfieber, aber es ist besser, seit ich mir das «Füdli» abspielte.

Carole Brunner

«Ich habe zwar immer noch Lampenfieber, aber es ist besser, seit ich mir das ‹Füdli› abspielte»

Als Winterthurer Band haben Sie es geschafft, die Stadtgrenze zu passieren. Wann folgt die Landesgrenze?

Wenn ich sehe, welche Kurve wir in den letzten vier Jahren gemacht haben, träumen wir weiterhin gross und international. Wir wünschen uns, dass wir mit unserer Musik immer mehr Leute erreichen dürfen. Erzwingen können und wollen wir aber nichts.

Mit dem Debut-Album «better now» haben Sie es zumindest ins nationale Radio geschafft. Wieso war der jetzige Zeitpunkt der richtige für diesen Meilenstein?

Es ist wichtig, im Wachstumsprozess innezuhalten und sich zu fragen: Ist das, was wir machen, auch das, was wir machen wollen? Wir finden unsere EPs und Singles nicht verwerflich, sie bedeuten uns mega viel. Aber wir brauchten diese Zeit, um herauszufinden, wie wir eigentlich tönen wollen.

Wie lautet die Antwort?

«better now» ist die Antwort. Die zwölf Herzenswerke sind uns musikalisch und lyrisch genau so nahe, wie sie es unserer Meinung nach sein sollen. Unsere Band steht für Zerbrechlichkeit und einen offenen Umgang mit dieser Thematik. Wir sprechen durch unsere selbstproduzierte Musik und der Offenlegung meiner eigenen Geschichte die mentale Gesundheit der Menschen an.

Früher war die Musik der Ausgleich zu Ihrem Alltag, heute ist das Tanzen und Lesen der Ausgleich zur Musik. Wo ordnen Sie das Liederschreiben ein?

Das passiert irgendwo dazwischen, praktisch immer und überall. Das Songwriting brauche ich als wöchentliche Konstante, damit es mir seelisch gut geht.

Wo finden Sie Inspiration?

Im Wirrwarr meiner Gedanken. Wenn ich Songs schreibe, nehme ich mir unbegrenzt Zeit, meine Gedanken zu sortieren. Ich «büschele» die Worte so lange zurecht, bis sie genau das transportieren, was mir auf dem Herzen liegt.

Obligatorische Abschlussfrage: An welchen Orten in Winterthur trifft man Sie häufig an?

Am Walcheweiher, auf dem Güetli oder im «Hecht». Dort entstehen viele unserer Songs.

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