Digitalisierung der Stadt Winterthur
Verwaltung will digitale Prozesse weiter fördern
Wie viele andere Gemeinden und Städte ist auch Winterthur daran, die Verwaltung zu digitalisieren. Wo steht die Stadt heute? 84XO hat bei den Informatikdiensten nachgefragt.

Innerhalb der Schweiz gehört Winterthur zu den Vorreitern in Sachen Digitalisierung.
zvg
Sie ist omnipräsent, die Digitalisierung. Dass sie kaum aufzuhalten ist, ist auch immer mehr Kantonen und Gemeinden bewusst. In Bern etwa gilt seit dem 1. Märt «digital first»: Behörden im ganzen Kanton müssen neu digital arbeiten und kommunizieren. Für Privatpersonen gilt diese Pflicht nicht. Doch auch für sie werden schweizweit immer mehr Leistungen online aufbereitet. In Winterthur bietet die Stadt ihrer Kundschaft seit November 2021 über 90 E-Services, die über ein zentrales Portal erreichbar sind. Höchste Priorität habe dabei nicht nur eine einfache Handhabung, sondern insbesondere der Datenschutz und die Datensicherheit, wie Christoph Zech, Digital Officer der Informatikdienste, sagt. «Das E-Service-Portal ermöglicht es der Stadtverwaltung erstmals, die unterschiedlichsten E-Services mit nur einem einzigen authentisierten Login anzubieten. Insofern sehen wir das Portal als zentrales und unverzichtbares Element, um die Digitalisierung in der Stadt Winterthur weiter voranbringen zu können.»
Immer mehr Winterthurerinnen und Winterthurer würden die digitalen Dienstleistungen nutzen. Eine vollständige Auswertung liegt dem Informatikdienst nicht vor, aber: «Die vorhandenen Nutzungsdaten bestätigen auch für Winterthur die Trendentwicklung aus der Nationalen E-Government-Studie 2022», so Zech. Laut dieser wickeln knapp 70 Prozent der Bevölkerung mindestens die Hälfte ihrer Behördendienstleistungen elektronisch ab, wobei die 25- bis 54-Jährigen am häufigsten dazu tendieren. Bei Unternehmen ist der Anteil noch höher. «Als öffentliche Verwaltung verpflichten wir uns, niemanden vom Angebot der Stadt auszuschliessen», fährt Zech fort. «Das bedeutet, dass wir in vielen Fällen auch weiterhin Alternativen zum digitalen Kanal anbieten, was einen gewissen Mehraufwand mit sich bringt.» Entsprechend sei der Widerstand gegen die städtischen Digitalisierungsvorgaben eher klein.
Geschwindigkeit ist herausfordernd
Innerhalb der Schweiz gehört Winterthur zu den Vorreitern in Sachen Digitalisierung. Gemäss Christoph Zech ist ein direkter Vergleich allerdings kaum möglich, «zumal das Themenspektrum sehr breit ist und nicht alle Städte und Gemeinden die gleichen Schwerpunkte setzen». Als Herausforderung sieht er die Geschwindigkeit, mit welcher die Digitalisierung voranschreitet. Um die digitale Transformation gezielt und ganzheitlich anzugehen, will die Stadt ihre Vorhaben künftig auf eine Digitalisierungsstrategie abstützen. Diese richtet sich nach den Bedürfnissen der verschiedenen Anspruchsgruppen sowie den zur Verfügung stehenden Mittel und Ressourcen. Auch Partnerschaften mit der ZHAW oder dem Kanton seien wichtige Komponenten, so Zech. «Wir sehen noch grosses Potential, das uns die digitale Transformation eröffnet.» Grosse IT-Projekte seien geplant oder bereits in der Umsetzung, etwa das «Enterprise Ressource Planning System» und das «Enterprise Content Management System». «Mit diesen beiden Systemen werden die Grundlagen für eine durchgängige elektronische Aktenführung geschaffen», erklärt Zech. Dies diene der Digitalisierung der internen Verwaltungsprozesse, habe aber auch Auswirkungen auf die Möglichkeiten für digitale Angebote für die Bevölkerung, Unternehmen oder andere Verwaltungen.

Um die digitale Transformation gezielt und ganzheitlich anzugehen, will die Stadt ihre Vorhaben künftig auf eine Digitalisierungsstrategie abstützen.
Ramona Kobe
Weiter ist ein digitaler Postverkehr in der Stadtverwaltung ein Thema. Im April letzten Jahres teilte der Stadtrat mit, eine solche Umstellung prüfen zu lassen. Die Stadt habe zur Digitalisierung des physischen Posteingangs ein Vorprojekt lanciert, sagt Zech. Ziel dieses Vorprojekts sei es, die Machbarkeit einer automatisierten Postverarbeitung zu prüfen und vorzubereiten. In einer ersten Phase habe die Stadt eine Bedarfsanalyse durchgeführt, Datenschutz-Grundlagen und weitere rechtliche Rahmenbedingungen abgeklärt, Abhängigkeiten zu anderen Systemen beleuchtet und mögliche Lösungsvarianten skizziert. «Das Vorhaben ist noch nicht abgeschlossen. Sobald die definitiven Ergebnisse vorliegen, werden diese dem Stadtrat vorgelegt. Darauf basierend wird über die nächsten Schritte entschieden.»
«Technologie sollte nicht im Vordergrund stehen»
Auch disruptiven Technologien wie Artificial Intelligence oder Augmented Reality steht die Stadtverwaltung offen gegenüber. Gemäss Zech bieten sie viele Möglichkeiten, um «smarte» Anwendungen umzusetzen. «Allerdings sollte niemals die Technologie im Vordergrund stehen, sondern immer der Nutzen, der damit erzielt werden kann.» Einige Pilotprojekte wurden im Kontext von Smart City bereits umgesetzt, etwa die optische Ermittlung von Verkehrsdaten mittels künstlicher Intelligenz. Jüngst teilte der Stadtrat mit , dass er das Smart-City-Projekt «Winterthur@Metaverse» unterstützt. Im Metaverse werden immersive, virtuelle Räume geschaffen, in denen sich Nutzende in Gestalt von Avataren mit Freunden und Kolleginnen treffen, gemeinsam arbeiten oder spielen können. Das Projekt möchte prüfen, ob es für die Stadt Winterthur nutzbringende Anwendungsfälle für eine Nutzung des Metaverse gibt.
Pionierstadt Winterthur
Im Smart-City-Bereich zählt Winterthur in der Schweiz zu den Pionierstädten. Vor über zehn Jahren hat sie sich erstmals damit auseinandergesetzt, erste Pilotprojekte aufgesetzt und seit 2018 verfügt sie auch über eine vom Stadtrat verabschiedete Strategie «Smart City Winterthur». «Die Stadt Winterthur bietet eine sehr hohe Lebensqualität und ist historisch geprägt von Innovation, Unternehmertum und als Kulturstadt», sagt Vicente Carabias-Hütter, Smart-City-Verantwortlicher im Departement Kulturelles und Dienste. Trends wie die Digitalisierung, die Veränderung der Städte durch Urbanisierung, der Klimawandel und der Umbau der Infrastruktursysteme im Energie- und Mobilitätsbereich würden neue Herausforderungen mit sich bringen. «Die Smart City Winterthur will diese im Sinne eines ganzheitlichen Entwicklungsansatzes ressortübergreifend, vernetzt mit Partnern und mit Unterstützung von digitalen Technologien angehen.» Soziale und technologische Innovationen sollen so eingesetzt werden, dass sie die Lebensqualität sichern, Ressourcen schonen und eine nachhaltige Entwicklung fördern. Dafür positioniert sich Winterthur mit «WinLab» als sogenanntes «Living Lab», als Reallabor oder Teststadt, um diese innovativen Lösungsansätze auf dem Stadtgebiet systematisch zu testen und im Erfolgsfall skalieren zu können.
Vicente Carabias-Hütter
«Die Stadt Winterthur ist historisch geprägt von Innovation, Unternehmertum und als Kulturstadt»
«Nehmen wir das Beispiel der Strassenbeleuchtung», so Carabias-Hütter. «Die Beleuchtung in Städten ist für 20 bis 50 Prozent des Gesamtenergieverbrauchs verantwortlich.» Eine mögliche Lösung, diesen Energieverbrauch zu reduzieren, seien smarte LED-Leuchten, die nur dann leuchten, wenn jemand die Strasse benutzt. «Aber es geht noch weiter», fährt Der Smart-City-Verantwortliche fort. «Die Strassenleuchte könnte über ein Netzwerk mit anderen Leuchten und Verkehrssensoren kommunizieren, mit einer PV-Anlage selber Strom produzieren oder als Elektromobil-Ladestation Fahrzeuge mit Strom versorgen. Es braucht neue Geschäftsmodelle und partizipative Ansätze, um nicht nur die Bedürfnisse der Bewohnenden abzuholen, sondern diese durch Ko-Kreation in den Entwicklungsprozess von Lösungen einzubinden.»
Mit der Digitalisierung steigt auch die Angriffsfläche
Die Digitalisierung hat aber auch eine dunkle Seite: Die Zahl der Cyberangriffe nimmt immer weiter zu. Datenverlust, Datendiebstahl, Störung einzelner Prozesse oder gar der gesamten Verwaltung zählen zu den Risiken, die «gravierende Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit, die Integrität und die Reputation der Stadt haben können». «Die Stadtverwaltung ergreift alle notwendigen Massnahmen, um solche Risiken zu vermeiden oder reduzieren», betont Zech. Die Stadt habe einen Notfallplan bereit, um im Falle eines Angriffs Schäden zu minimieren. Zudem hat sich der Stadtrat im Rahmen des Legislaturprogramm 2022 bis 2026 verpflichtet, die Cybersecurity zu intensivieren. Dazu werde das ICT-Risiko-Management ausgebaut und weitere Schutzmassnahmen festgelegt und umgesetzt.