Flüchtlingsaufnahmequote wird deutlich steigen
«Unvorstellbar, dass die Stadt so handeln würde»
Der Fall Windisch, wo Wohnungen zugunsten von Flüchtenden frühzeitig gekündigt wurden, schreckte auch Mietende in Winterthur auf. Sozialamtvorsteher Nicolas Galladé nimmt Stellung.

Obwohl es auch in Winterthur zunehmend schwierig wird, Unterkünfte für Flüchtende zu finden, hat die Stadt laut Stadtrat Nicolas Galladé bisher stets rasch und kreativ Lösungen gefunden.
Fotomontage: Martin Deuring / zvg
Die Meldung, dass im aargauischen Windisch 49 Mietern gekündigt wurde, da der Vermieter neu Flüchtende einquartieren möchte, hat hohe Wellen geworfen. Zwar haben die Liegenschaftsbesitzer der Aufregung in der Zwischenzeit etwas Wind aus den Segeln nehmen versucht, mit der Behauptung, dass die betroffenen Gebäude in einigen Jahren abgebrochen würden und deshalb die Wohnungen früher oder später auf jeden Fall gekündigt worden wären. Tatsache ist aber, dass in der Zeit bis zum Baubeginn der Kanton die Wohnungen mieten und Flüchtenden zur Verfügung stellen möchte.
Führt die allgemeine Wohnungsnot – per Juni 2023 sollen im Kanton 3000 zusätzliche Flüchtende aufgenommen werden können – und die damit im Zusammenhang stehenden Aussichten auf höhere Immobilien-Renditen dazu, dass auch in Winterthur Mieter und Mieterinnen die Kündigung droht und möglicherweise auch hier der Kanton oder die Stadt Flüchtenden den Vorzug gegenüber bestehenden Mietparteien geben könnte? «Ich kann mir kein Szenario vorstellen, in dem die Stadt Winterthur so handeln würde», sagt Nicolas Galladé, Winterthurer Stadtrat und Vorsteher des Sozialdepartements. «Wir haben in der Vergangenheit mehrfach bewiesen, dass wir rasch und kreativ neue Unterkünfte schaffen können, wenn das notwendig ist.» Als Beispiele nennt er die Asylkirche Rosenberg, die Zwischennutzung Busdepot Deutweg oder die Zwischennutzung der ehemaligen Kochschule an der Trollstrasse.
Auch für die deutlich höhere Aufnahmequote gewappnet
Galladé meint zwar, dass rein rechtlich auch der Kanton Zürich gleich vorgehen könnte wie der Kanton Aargau, um in eigener Kompetenz in Winterthur Liegenschaften mieten, kaufen und für eigene Bedürfnisse nutzen zu können, ohne den Stadtrat informieren zu müssen. «Aber», sagt Galladé, «der Kanton Zürich und die Stadt Winterthur haben bisher zur Unterbringung von Geflüchteten Hand in Hand gearbeitet. Ich bin überzeugt, dass das auch in Zukunft so sein wird.» So nutze die Stadt Winterthur an der Trollstrasse ein kantonales Gebäude für ukrainische Familien und der Kanton nutze die städtische Zivilschutzanlage Mattenbach für Geflüchtete.
Gerade weil Winterthur bezüglich dem Aufnahmekontingent von Flüchtenden deutlich über den Vorgaben des Kantons (0,9 Prozent) steht, glaubt Stadtrat Nicolas Galladé nicht, dass selbst die gestern Montag bekanntgegebene neue Asyl-Aufnahmequote von 1,3 Prozent ab dem 1. Juni die Stadt allzu stark treffen werde. «Dennoch müssen wir uns auf verschiedenen Szenarien vorbereiten, und die Situation bleibt herausfordernd», so Galladé.
Keine Wohnungskündigungen erwartet
Dass in Winterthur aufgrund von Flüchtenden mehr Wohnungskündigungen ausgesprochen werden, glaubt auch Ralph Bauert, Geschäftsführer des Hauseigentümerverbandes Region Winterthur, nicht. Eine Kündigung mit der Begründung, die Wohnung an Flüchtlinge zu vermieten, verstosse aber nicht gegen Treu und Glauben und sei auch deswegen gültig, ergänzt Bauert. «Bei Wohnräumen gilt eine Kündigungsfrist von drei Monaten, ausser wenn im Mietvertrag eine längere Kündigungsfrist vereinbart wurde. Wenn der Mieter eine Erstreckung verlangt, gehe ich bei diesem Kündigungsgrund davon aus, dass eine längere Erstreckung gewährt wird, insbesondere wenn der Mieter Härtegründe geltend machen kann.» Bei Wohnräumen betrage die Erstreckung maximal vier Jahre.

Dass in Winterthur aufgrund von Flüchtenden mehr Wohnungskündigungen ausgesprochen werden, glaubt Ralph Bauert, Geschäftsführer des Hauseigentümerverbandes Region Winterthur, nicht.
zvg
Obwohl Kündigungen von Wohnungen etwa zugunsten von Flüchtenden rein von Gesetzes wegen also rechtens sind, spricht Walter Angst, Kommunikationsverantwortlicher des Mieterverbandes Zürich, bezüglich Windisch von einem aus seiner Sicht einmaligen Fall. «So dreist wie in Windisch, in dem der Kanton einen Immobilienspekulanten aus Wollerau gefunden hat, der bereit ist, dieses miese Spiel auf Kosten der heutigen Bewohnerinnen und Bewohner durchzuziehen, ist mir kein anderes Beispiel bekannt», macht Angst seinem Ärger Luft.
Deutliche Worte auch aus der Kantonsregierung
Mit seiner gestrigen Bekanntgabe zur neuen, deutlich höheren Aufnahmequote für Flüchtlinge hat auch der zuständige Zürcher Regierungsrat Mario Fehr nochmals bekräftigt, dass für die zusätzlichen 3000 Unterkunftsplätze auf Kollektivstrukturen wie etwa Zivilschutzanlagen zurückgegriffen werden soll, denn: «Privaten wegen Asylsuchenden zu kündigen, ist nicht akzeptabel, wir wollen ausdrücklich, dass nicht das passiert, was in Windisch passiert ist.»