Publiziert 19. Apr. 2023, 06:00
8400

Suche nach den Brief-Absendern

Kuschelkurs trotz feigem «Putschversuch»?

Nach einem anonymem Brief, der mit einer «Wir oder er»-Drohung die Absetzung des neuen Stadtpolizei-Kommandanten Anjan Sartori fordert, belässt es Polizei-Stadträtin Comettas (noch) bei Worten statt Taten.

G
George Stutz
Rückendeckung durch die Politik und den Grossteil des Korps: Stadträtin Katrin Cometta und der neue Stadtpolizei-Kommandant Anjan Sartory.

Rückendeckung durch die Politik und den Grossteil des Korps: Stadträtin Katrin Cometta und der neue Stadtpolizei-Kommandant Anjan Sartory.
George Stutz

Im Zusammenhang mit dem im vergangenen November teilveröffentlichten Untersuchungsbericht betreffend zweier Suizide in den Reihen der Stadtpolizei, wurde der Führungsstil der beiden Alt-Kommandanten Marcel Bebié und Fritz Lehmann teils massiv kritisiert. Da inzwischen beide altershalber pensioniert wurden, blieb die für die Polizei zuständige Stadträtin Katrin Cometta vor einschneidenden Personalentscheiden verschont. Stattdessen erhielt sie die einmalige Chance, mit einem neuen Kommandanten Altlasten loszuwerden und – nicht zuletzt auch im Zusammenhang mit dem Einzug in den Neubau an der Obermühlestrasse – den geforderten Kulturwandel hin zu einer zeitgemäss geführten Stadtpolizei zu vollziehen.

Spürbare Begeisterung mit Füssen getreten

Als neuer Kommandant bestimmt wurde im letzten September Anjan Sartory. Er hatte seine Sporen bei der Kapo Aarau, der Kapo Appenzell und zuletzt als stellvertretender Kommandant der Stadtpolizei St. Gallen abverdient. Gegen seine neun Mitbewerbenden vermochte sich der 49-Jährige aufgrund seiner operativen und strategischen Erfahrungen, seinen Fachkenntnissen und seiner gewinnenden Persönlichkeit durchzusetzen. Glaubt man diversen Stimmen aus den Reihen der Stadtpolizei-Mannschaft, so beweist er Letzteres seit seinem Amtsantritt im vergangenen Februar. «Er sitzt sich zu uns an den Tisch, interessiert sich und macht sich zu Anregungen Notizen, er ist seit seinem Amtsantritt spürbar», so stellvertretend ein langjähriges Korpsmitglied. Auch wenn Sartory erst seit gut zwei Monaten seines Amtes waltet, stimmt die eingeschlagene Richtung, man freute sich, letzten Samstag beim Tag der offenen Tür auch der Bevölkerung «die neue Stadtpolizei» zu präsentieren.

Feige, anonyme Vorgehensweise

Bis vorletzte Woche. Der «Landbote» erhielt den Tipp, dass via die Ombudsfrau Stadträtin Katrin Cometta ein anonymes Schreiben übergeben wurde. In diesem kritisieren einige Kaderleute den Führungsstil scharf und unterstreichen dies mit einer an einen Putschversuch erinnernden «Wir oder er»-Forderung.

Vorbei war es mit der Ruhe. Sehr rasch kristallisierte sich heraus, dass das Gros der Mannschaft, aber auch Kaderleute geschlossen hinter dem neuen Kommandanten stehen. Auch Cometta stellte sich in einer Stellungnahme, wie nicht anders zu erwarten, sofort hinter Anjan Sartory. Rasch engte sich der Kreis jener, die den Aufstand proben, ein. Auch wenn einer der möglichen Drahtzieher* urlaubshalber abwesend ist und deshalb (noch) nicht befragt werden kann, so erhärtet sich die Erkenntnis, dass es sich um Offiziere handeln dürfte, die sich offensichtlich schwer tun, dass ihnen ein neuer Kommandant vor die Nase gesetzt wurde, dessen Stil nicht mehr dem verstaubten Führungsleitbild früherer Jahre entspricht. Aufgrund dessen bei Cometta vorzusprechen, wäre aber durchaus legitim gewesen. «Aber dies anonym in einem Schreiben kund zu tun, ist einfach nur feige und eines Kaderangehörigen nicht würdig», empört sich neben vielen anderen auch Kantonsrat und Alt-Stadtpolizist René Isler.

Mit schönen Worten ists nicht mehr getan

Nicht nur für ihn ist klar, dass nun Stadträtin Katrin Cometta gefragt ist: «Nur mit der Aussage, dass sie hinter Sartory stehe, ist es nicht getan, jetzt muss gehandelt werden.»
84XO hat Cometta um die Beantwortung einiger Fragen gebeten und wollte unter anderem wissen, wie sie gedenke, auszumisten und spätestens jetzt entsprechende Personalentscheide zu fällen. Ob sie sich der Gefahr bewusst sei, dass die Mannschaft auseinanderfallen könnte, falls der neue Kommandant nicht gestützt würde, beziehungsweise nicht bald klar würde, wer effektiv hinter dem Brief stünde oder ob ihr ein Aderlass gar nicht so ungelegen käme, zumal gemunkelt werde, dass anstelle der genehmigten zehn neuen Stellen, das Budget der Stadtpolizei gekürzt werden dürfte?

Kuschen hinter «wichtigem Prozess»?

Statt transparenten Antworten, liess sich Cometta via ihre Kommunikationsbeauftragte lediglich eine ziemlich allgemein gehaltene Stellungnahme entlocken, in der sie zu ihrem Kommandanten hält. Vom anonym-feigen Vorgehen der Kaderleute distanziert sie sich nicht, im Gegenteil. «Ich setze mich persönlich dafür ein, dass sich die anonymen Absender Gehör verschaffen können.» Weiter schreibt sie: «Eine erste Aussprache innerhalb der Stadtpolizei hat bereits stattgefunden. Alle anwesenden Beteiligten haben sich an einen Tisch gesetzt und sich auf ein gemeinsames weiteres Vorgehen geeinigt. Damit wurde ein wichtiger Grundstein zur raschen Beseitigung der internen Differenzen gelegt. Um diesen wichtigen Prozess nicht zu gefährden, wurde Vertraulichkeit vereinbart und wir werden erst nach dessen Abschluss wieder extern informieren. Dafür bitte ich um Verständnis.»

Bleibt abzuwarten, ob sich der angestrebte Kulturwandel in einer zeitnahen Kommunikation und einer klaren Vorgehensweise wiederspiegeln wird oder neben den personellen Altlasten auch der alte Teppich und der zugehörige Besen weiterhin Bestand haben werden.

*Name der Redaktion bekannt