Drei Start-ups ziehen Bilanz
Die Krise als Chance genutzt
Ein Unternehmen mitten in der Pandemie gründen? Das kann sich durchaus lohnen, wie diese drei Winterthurer Start-ups beweisen. Ein Zuckerschlecken war es aber dennoch nicht.

Wer nicht wagt, der nicht gewinnt: Diese drei Winterthurer Start-ups gründeten ihr Unternehmen mitten in der Pandemie.
Fotomontage: Ramona Kobe
Gewinneinbussen, Kurzarbeit, Lieferengpässe – die Coronakrise hat viele Unternehmen schwer getroffen und stellte sie vor grosse Herausforderungen. Viele kämpften um die Insolvenz. Gleichzeitig bescherte die Pandemie der Schweiz ein Rekordjahr: 2020 wurden 46’842 neue Unternehmen im Handelsregister eingetragen. Das sind fünf Prozent mehr als im Vorjahr. Doch der Start war alles andere als einfach, wie die Bilanz dieser Winterthurer Start-ups nach knapp drei Jahren zeigt.
«Ich war nahe am Burn-out», sagt Jan Pochobradsky. Er eröffnete sein Crossfit-Studio in Hegi im Frühling 2020. Anstatt in den modernen Räumlichkeiten, brachte der einstige Weltmeister im Sport-Aerobic seine Kundschaft unter freiem Himmel ins Schwitzen. «Bei jedem Wetter», betont der gebürtige Tscheche. Er habe Partyzelte gekauft, die zumindest für ein bisschen Witterungsschutz hätten sorgen sollen. «Doch bei zu viel Schnee sind diese zusammengebrochen.» Trotz allem: Das Training an der frischen Luft habe die Mitglieder kaum gestört. «Sie zeigten sich sehr loyal», sagt Pochobradsky. Einige würden die Zeit sogar vermissen. Er hingegen ganz und gar nicht. «Als Coach bewegst du dich weniger. Ich fror ständig.»
Zurückhaltung hinterliess Spuren
Entsprechend erleichtert war er, als er seine Kurse wieder am «Schärme» anbieten durfte. Einfacher wurde es deswegen aber nicht. «Es hat lange gedauert, bis die Leute das Vertrauen zurückgewannen», so Pochobradsky. Jahresabos habe er nur sehr wenige verkauft. Diese Zurückhaltung hinterliess Spuren in den Finanzen. «Wir sind im Businessplan in Verzug und müssen das Defizit nun aufholen.»

Nicht im neuen Fitnessstudio sondern draussen bei Schnee trainierte Jan Pochobradsky seine Kundschaft während Corona.
Aline Gerber
Könnte der Fitnesscoach die Zeit zurückdrehen, würde er sein Start-up erneut gründen. Denn das Gebäude, in dem er zuvor in einem kleinen Studio Personal Trainings angeboten hatte, wurde abgerissen. «Ich hatte gar keine andere Wahl, als es trotz Corona zu versuchen», sagt Pochobradsky heute. Er bezweifelt allerdings, dass die Schliessung von Fitnessstudios tatsächlich nötig war. «Das Virus hat sich auch so verbreitet. Wir haben also umsonst gelitten.» Ob er sein Gym bei der nächsten Pandemie erneut schliessen würde? «Ich weiss es nicht», gesteht Pochobradsky. «Ich war so ausgebrannt und depressiv, das will ich nicht nochmals erleben.»
Doppelte Mehrbelastung
Nicht ein Virus, sondern eine Klage am Hals beschäftigte Fabio Furrer und seine damalige Geschäftspartnerin Angela Rickli, die in der Zwischenzeit ausgestiegen ist, nach der Gründung der Kleandrop GmbH zunächst. Ein Konkurrent aus Deutschland beschuldigte sie, Idee, Konzept und Design kopiert zu haben. Zu Unrecht, wie sich über ein Jahr später zeigte: Die beiden gewannen den Prozess. «Obwohl wir immer überzeugt waren, dass wir gewinnen würden, war die Klage eine Mehrbelastung», sagt Furrer, der das Start-up ganze ohne Investoren finanziert.
Denn auch die Pandemie stellte ihn vor grosse Herausforderungen. Die Sprühköpfe, die er für seine nachhaltigen Reinigungsmittel benötigt, waren zu Beginn im Herbst 2020 «absolute Mangelware», wie Furrer erzählt. «Ich fuhr in der ganzen Schweiz umher, um Sprühköpfe und Plastikflaschen zusammenzusuchen.» Hinzu kam, dass die Produktion ins Wanken kam. Die Folge: Lieferverzögerungen. Immer wieder dachte er, dass er seine Produkte nicht an seine Kundschaft, zu der mittlerweile Micasa oder Möbel Pfister gehört, ausliefern könne. Das hätte das Aus für seine Firma bedeutet. «Ich hatte einige schlaflose Nächte», erinnert sich Furrer. Doch er blieb hartnäckig, telefonierte viel herum. «Nur so haben wir die Ware erhalten.»

Kämpften zu Beginn nicht nur mit Corona, sondern auch mit einer Klage: Die beiden Gründer der Kleandrop GmbH Angela Rickli und Fabio Furrer.
zvg
Die Produktepalette wächst
Seither ist das Start-up mit Sitz im Valley in Kemptthal stetig gewachsen. Im November 2021 lancierte Furrer eine Kosmetiklinie mit Duschgel, Handseife und Shampoo in Pulverform zum Selbstanmischen – damals ein Novum in der Schweiz. Doch damit nicht genug: Im Dezember erweiterte er das Sortiment mit einer Zahnpasta in Pulverform. Die «Weltneuheit» entwickelte der Jungunternehmer zusammen mit einem Partnerunternehmen.
Das Ziel für die nächsten drei Jahre: Jeder zweite Haushalt und so viele Hotels wie möglich sollen über seine Produkte verfügen. «Oder über eine Alternative», sagt Furrer. «Wir möchten, dass sich die Bevölkerung mehr Gedanken zur Umwelt macht. Wenn wir mit unseren Artikeln einen Beitrag dazu leisten können, sind wir zufrieden.»
Eingeschränkter Kontakt
Ein weit ambitionierteres Ziel verfolgt die Cyltronic AG. «Wir möchten die weltweite Nummer 1 für kompakte elektrische Aktoren werden», sagt Marketing-Verantwortliche Liliana Cattaneo. Auch dieses Winterthurer Start-up, das Elektrozylinder und Linearachsen mit einer All-in-One-Technologie entwickelt, wurde während der weltweiten Pandemie gegründet. «Zu dieser Zeit war eine Stage erreicht, in der es nötig war zu starten», sagt Cattaneo. Trotz positiver Einstellung: Der Start war happig. «Die Investorensuche war ziemlich schwierig, da auch eine grosse Unsicherheit im Markt herrschte und der persönliche Kontakt sehr eingeschränkt war», erzählt die Marketing Managerin. Das Pitchen vor den Investoren habe nur online stattfinden können, was am Anfang gewöhnungsbedürftig gewesen sei. «Heute ist das Standard.»

Die Cyltronic AG hat grosse Ziele: Sie will die weltweite Nummer 1 für kompakte elektrische Aktoren werden.
zvg
Hinzu kam, dass viele der Teile nicht mehr erhältlich oder gar nicht mehr beschaffbar waren. Das hiesige Unternehmen war gezwungen, den Zylinder mit vorhandenen Produkten neu zu designen – was nicht nur Nachteile mit sich brachte, wie Cattaneo sagt. «Dadurch kennen wir unsere Produkte sehr gut.» Auch dass die Energiepreise letztes Jahr nach oben geschossen waren, kommt dem Start-up zugute. «Im Vergleich zu einem druckluftbetriebenen Zylinder kann der Endkunde mit einem Cyltronic-Elektrozylinder im Schnitt 92 Prozent Energie einsparen.»
Auf gutem Weg
Derzeit läuft die dritte Finanzierungsrunde. Gesucht seien vor allem Investoren, die an einem Hardware-Produkt interessiert sind. «Es läuft soweit gut», freut sich Liliana Cattaneo, die Teil des zwölfköpfigen Teams ist. Begonnen haben sie zu fünft. Dieses Wachstum habe verlangt, die Strukturen neu aufzubauen und anzupassen, was viel Zeit gekostet habe. «Jetzt sind wir aber bereit, voll durchzustarten.»