«MyMedicusTaxi»
Ein Fahrdienst zwischen Taxi und Ambulanz
Mit seinem Taxiunternehmen will Giorgio Tatone eine Versorgungslücke schliessen. Insbesondere nachts nehmen Gesundheitsinstitutionen die Service des ausgebildeten Transportsanitäters in Anspruch.

Giorgio Tatone und seine Frau Manuela aus Elsau führen seit Anfang Jahr ein ganz besonderes Taxiunternehmen.
Ramona Kobe
Herzinfarkte, Schlaganfälle, Unfälle. Wer möglichst schnell medizinische Unterstützung benötigt, wählt die 144. Bei Notfällen kommt die Sanität, leistet erste Hilfe und bringt den Patienten anschliessend ins nächstgelegene Krankenhaus. Arbeit erledigt. Vorerst. Bis der nächste Notruf eingeht und die Sanitäter erneut ausrücken müssen. Das ist immer öfter der Fall, wie ein Bericht des Schweizer Radio und Fernsehens zeigt. Die Gründe für die steigenden Ambulanz-Einsätze sind unklar.
Eine Alternative gegenüber dem Krankentransport ist Giorgio Tatone – insbesondere für den Rücktransport oder eine Verlegung. Der ausgebildete Transportsanitäter, der beim Rettungsdienst Schaffhausen als Freelancer arbeitet, führt seit Anfang Jahr mit «MyMedicusTaxi» ein besonderes Taxiunternehmen. «Wir sehen uns als eine Art Sitzend-Ambulanz. Unsere Tarife gleichen jedoch nicht deren eines Notrufs, sondern sind an Taxi-Tarife angelehnt», erklärt Tatone. Im Nachtdienst habe er öfters bemerkt, dass für den Rücktransport nach Hause oder in die Altersheime keine geeigneten Fahrzeuge zu Verfügung stehen würden. Für Taxis seien die Patienten zu schwach, für Ambulanzfahrten zu fit. Mit dem Unternehmen, das er zusammen mit seiner Frau Manuela führt, will er diese Versorgungslücke schliessen. «Wir wollen die Spitäler und deren Ambulanzen entlasten.»
Wo der Mensch im Mittelpunkt steht
Bevor der Elsauer im März loslegte, führte er Interviews mit verschiedenen Institutionen durch, insbesondere Alters- und Pflegeheime, um seine neue Haupttätigkeit den Bedürfnissen entsprechend aufzubauen. «Wir wollten etwa Feedback erhalten, was unser Fahrdienst enthalten soll oder was die Wünsche der Institutionen sind», erzählt Tatone. Die positiven Rückmeldungen bestärkten ihn in seiner Idee, sodass er kurzerhand das erste Fahrzeug zulegte: eine Art Minibus, der aufgrund seiner Farben an einen Rettungswagen erinnert. Darin können die Fahrgäste sowohl sitzend als auch liegend transportiert werden – allerdings nicht wie gewohnt auf einer Trage, sondern in einem Liege-Rollstuhl. «Mit Kopf- und Nackenstütze», betont der Transportsanitäter. Ihm sei Sicherheit und Qualität ein grosses Anliegen, damit hebe er sich ab. So engagiere er auch nur Fahrer mit Sanitätsausbildung. «Leute im Rollstuhl sind keine Waren, sondern Menschen. Diese stehen bei uns im Mittelpunkt.»
Giorgio Tatone
«Leute im Rollstuhl sind keine Waren, sondern Menschen. Diese stehen bei uns im Mittelpunkt»
Innert kurzer Zeit haben sich Tatones Dienstleistungen herumgesprochen, die Aufträge nehmen laufend zu: Manchmal klingelt das Telefon bis zu sechs Mal, in anderen Nächten gibt es keine einzige Fahrt zu erledigen. Es kommt auch vor, dass der 43-Jährige Aufträge ablehnt. «Auch ich und meine Aushilfen brauchen unsere Ruhezeiten und vor allem genügend Schlaf.» Seine Frau Manuela ergänzt: «Lieber einmal mehr ablehnen, als ein Risiko eingehen. Das ist uns sehr wichtig.»
Übernimmt Sonderwünsche
Mittlerweile fährt er nicht nur nachts Patienten von A nach B, sondern übernimmt tagsüber auch gleich deren Betreuung während Untersuchen im Spital. «Dadurch müssen etwa Altersheime keine personellen Ressourcen stellen, können sich aber dennoch darauf verlassen, dass ihre Bewohnerinnen und Bewohner bestens umsorgt werden.» Auch aussergewöhnliche Wünsche erfüllt Giorgio Tatone mit seinem Fahrdienst gerne. «Einmal durfte ich ein älteres Ehepaar an ein Geburtstagsessen chauffieren, das aufgrund seines Gesundheitszustandes nicht mit einem normalen Taxi anreisen konnte», erzählt der zweifache Familienvater. Ein anderes Mal erfüllte er einer Frau, die sich für den begleiteten Freitod entschieden hatte, den Wunsch, sich zuhause von ihrer Katze zu verabschieden. «Diese Sondereinsätze gehen mir natürlich nahe. Sie zeigen mir aber auch, wie wichtig mein Taxiunternehmen ist.» Auf die Frage, wie er solche Erlebnisse verarbeiten könne, antwortet Tatone: «Das wurde mir in die Wiege gelegt.»
Arbeit soll auch künftig erfüllen
Noch dieses Jahr planen die Tatones mit einem zweiten Fahrzeug. Zu gross soll das Unternehmen aber nicht werden. «Wir wollen ein Familienbetrieb bleiben», sagt Manuela Tatone. Man wolle die weiteren Transportunternehmen schliesslich nicht konkurrieren, sondern entlasten. Ihr Mann ergänzt: «Unser Ziel ist nicht ein möglichst hoher Umsatz. Die Arbeit soll uns auch in Zukunft weiter erfüllen und Freude bereiten.»