Sie war am Montag in Winterthur
Aktivistin Carola Rackete weibelt für Frontex-Nein
Die Schweiz stimmt am 15. Mai darüber ab, ob sie sich an der Budgetaufstockung von Frontex beteiligt. Das Referendumskomitee hat sich nun ein Aushängeschild der Seenotrettung ins Boot geholt, um für ein Nein zu werben. Kürzlich stoppte «No Frontex» mit Carola Rackete in Winterthur.

Ginge es nach Carola Rackete und Lorenz Naegeli, würde Frontex gleich ganz abgeschafft werden.
Michael Hotz
Es ist ein ziemlich abstrakter Begriff: Frontex. Da hilft es, wenn das Referendumskomitee im Abstimmungskampf über die Budgetaufstockung für die europäische Grenzschutzagentur mit einem Aushängeschild weibelt. «No Frontex» tourt aktuell mit Carola Rackete durch die Schweiz, um sich für ein Nein am 15. Mai starkzumachen. Die deutsche Seenotrettungsaktivistin erlangte 2019 internationale Bekanntheit, als sie entgegen einem Verbot Geflüchtete in den Hafen der italienischen Insel Lampedusa einfuhr. Vergangenen Montag war sie mit dem Komitee in Winterthur. 84XO hat die Aktivistin getroffen.
Frontex verletzt Menschenrechte
2021 begründete Rackete das Abolish-Frontex-Netzwerk mit, dessen Ziel es ist, dass die Agentur abgeschafft wird. Frontex bezeichnet die 33-Jährige als «Speerspitze der europäischen Abschottungspolitik». «Wir setzen uns dagegen für Bewegungsfreiheit und Gleichberechtigung ein», betont sie. Auf ihrer «Tour de Suisse» wolle sie die Chance nutzen, um mit den hiesigen Menschen über die Menschenrechtsverletzungen zu sprechen, die von Frontex begangen würden. «Viele sind geschockt, wenn sie davon erfahren», so die Aktivistin. Erst letzte Woche berichtete etwa der «Spiegel» über illegale Pushbacks in der Ägäis, die anschliessend vertuscht wurden. Gemäss den Recherchen des deutschen Nachrichtenmagazins halfen Frontex-Beamte mit, dass Geflüchtete aus griechischen Gewässern wieder auf türkischem Hoheitsgebiet ausgesetzt wurden, damit die Küstenwache der Türkei die Flüchtenden abschleppen konnte.
Befürwortende der von der EU beschlossenen Erhöhung des Frontex-Budgets, an der sich die Schweiz beteiligen soll, betonen, dass dadurch die Grundrechte von Geflüchteten besser gewahrt werden können. Dieses Argument zieht weder für Rackete noch für das Referendumskomitee. Dazu sagt das «No Frontex»-Mitglied Lorenz Naegeli: «Für das Grundrechtbüro der Agentur wird nur etwa 0,3 Prozent des Gesamtbudgets ausgegeben. Von den versprochenen 40 Grundrechtsbeobachtenden sind bis heute nicht alle eingestellt, obwohl dies vor eineinhalb Jahren hätte passieren müssen.» Die deutsche Aktivistin ergänzt: «Frontex ist massiv von der Militär- und Rüstungsindustrie beeinflusst. Das Geld wird hauptsächlich für Militär- und Überwachungstechnologie ausgegeben.»
Grenzen durchlässig machen
Die Grenzschutzagentur halten die beiden auch nicht für reformierbar. «Frontex hat eine rein interne und unverbindliche Kontroll- und Monitoring-Funktion. An dieser Struktur wurde bisher nichts geändert», sagt Naegeli. Die Aufgabe der Agentur sei es, eine «rassistische Abschottungspolitik durchzusetzen – auch mit Gewalt», so Rackete. «Diese Gewalt erleben Menschen an den europäischen Aussengrenzen seit Jahren jeden Tag. Das müssen wir grundsätzlich infrage stellen und dem mit einer Migrationspolitik begegnen, die Grenzen durchlässig macht.» Aktuell würden geflohene Ukrainerinnen und Ukrainer bereitwillig aufgenommen. Das zeige, dass es nur eine Frage des politischen Willens sei, dies auch für andere Menschen möglich zu machen. «Nicht Grenzen gehören geschützt, sondern Menschen.»