Peter Junker frei von der Leber
Soll die Migros künftig Alkohol verkaufen?
Kolumne

Peter Junker Unternehmensberater und Dozent Fachhochschule
zvg
Gottlieb Duttweiler, der unerschrockene, mutige Pionier, griff 1925 mit der Gründung der Migros den kartellartig organisierten Schweizer Detailhandel derart frontal an, dass das weit über die Landesgrenzen hinaus heftigste Reaktionen auslöste. Doch Klagen, Boykotte und handfeste Demonstrationen konnten den Erfolg der Migros nicht aufhalten. Dass Duttweiler explizit keinen Alkohol und keine Tabakwaren verkaufte, ging damals fast unter. Eigentlich wollte er nur die schweizerische Volksgesundheit fördern und günstige Lebensmittel an Arbeiterinnen und Arbeiter verkaufen. Entscheidend beeinflussen liess er sich von der damals düsteren Weltwirtschaftslage der Nachkriegszeit und vor allem von der Alkohol-Prohibition in den Vereinigten Staaten (1920-1933). Wie ist das heutige «Alkoholproblem» der Migros zu verstehen? Nachvollziehbare Gründe, das Alkoholverbot aufrecht zu halten, gibt es kaum mehr. Die Migros hat ihr eigenes Verbot schon längst unterlaufen: Sowohl über Denner als auch online verkauft der Migros-Konzern schon jahrelang Alkohol. In diesem Zusammenhang sind die Ideale Duttweilers offenbar nicht relevant. Doch die Migros-Läden selbst sollen nach wie vor keinen Alkohol verkaufen dürfen. Ist das der Streit um des Kaisers Bart oder ein echter Machtkampf? Rückwärts- und der Tradition zugewandte Ideologen gegen kühle Rechner, die im Alkoholverkauf satte zwei Milliarden Franken Umsatz sehen? Den Entscheid wird nicht das Management fällen. An der Delegiertenversammlung im November könnte der Weg für eine Urabstimmung geebnet werden, so dass über zwei Millionen Genossenschafter darüber abstimmen könnten. Auf das Ergebnis darf man heute schon gespannt sein.