Publiziert 09. Nov. 2022, 10:15

Kolumne

Freizügige Ruhe

Kolumne von Jennifer Schweizer

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Jennifer Schweizer ist Winterthurer Unternehmerin.

Jennifer Schweizer ist Winterthurer Unternehmerin.
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Den Begriff schnappte ich diesen Sommer in einem langweiligen Film auf. Da mich der Film kaum interessierte, kam mir eine Ablenkung gerade recht. Meine Gedanken folgten also dem Gefühl, das dieser Begriff in mir geweckt hatte. 

Um ihn vor lauter Euphorie nicht gleich wieder zu vergessen, hatte ich ihn husch notiert: «Freizügige Ruhe

Ruhe. Dazu noch freizügig. Ich wünsche mir schon viele Jahre mehr Ruhe, mehr Zeit in der Natur, mehr lesen. Ja, einfach mehr von allem, was uns halt so vorgeplappert wird, was es brauche, um ausgeglichen und glücklich zu sein. 

Aber freizügige Ruhe klingt doch nach Abenteuer, frei und wild sein, die Wahl haben.

Es klingt, als wäre es in unserer fleissigen Schweiz erlaubt, einfach mal zu ruhen. Nichts zu tun. Eine erlaubte Pause sozusagen. Mit «nichts» meine ich auch keinen gesunden Sport, kein nachhaltiges Yoga, kein gescheites Buch oder sonst was. Einfach nichts. 

Wann ist uns das denn eigentlich abhandengekommen, das Geniessen und das Sein? Als ich vor kurzem all meine To-dos auf der Checkliste abgehakt hatte und mich super darüber freute, sogar noch mehr erledigt zu haben, erschrak ich fast zu Tode. Der ganze Abend war somit frei, um tun und lassen zu können, worauf auch immer ich Lust hatte. 

Doch wonach stand mir denn der Sinn?

So planlos unverplant zu sein machte mich ganz kribbelig, und so plante ich gleich neue To-dos für meine Checkliste. 

Aber Halt. Genau das wollte ich doch eben nicht mehr. 

Freizügige Ruhe. Da war sie. Diese aber auszuhalten, nichts zu tun und dies zu geniessen, hatte ich mir irgendwie leichter vorgestellt. Rastlos und unruhig sass ich da und realisierte, wie sehr ich mich immer mit meinem Tun von meinem Sein abgelenkt hatte. Ich kann weder Anleitung oder Ratschlag abgeben, wie die ersehnte freizügige Ruhe gelebt oder gar genossen werden kann. Denn obwohl ich mir seit dem Sommer Zeit dafür gelassen habe, lerne ich sie eben selbst erst kennen.

Von Jennifer Schweizer, Winterthurer Unternehmerin